Sie sind hier: Startseite Projekte Teilprojekt 12 Auswirkungen von Hitzestress

Auswirkungen von Hitzestress

In experimentellen Untersuchungen führten konstante Temperaturen zwischen 40 und 43 °C über 4 Stunden zu einer akuten physiologischen Stressreaktion (gemessen an der Konzentration des unter Stress ausgeschütteten Hormons Kortikosteroid) mit einem Maximum nach einer Stunde, die sich nach 4,5 Stunden wieder auf die Kontrollwerte senkte. Bei konstant 35 °C über drei Tage wurde die maximale Kortikosteroidkonzentration nach vier Stunden erreicht, die sich über 48 Stunden langsam wieder auf die Kontrollwerte gesenkt hat. Bei langzeitiger Hitzeeinwirkung wird die Kortikosteroidausschüttung irgendwann beendet, auch wenn die Hitze weiter bestehen bleibt (Dantzer und Mormede, 1981). Längere Hitzeperioden von 35 °C (über 24 Tage) führten am Anfang zu einer akuten Stressreaktion, aber zu einer chronischen Unterdrückung des Kortikosteroids ab dem 24. Tag (Alvarez und Johnson, 1972). Eine ebensolche Unterdrückung der Stresshormonantwort wurde bei Milchkühen bei 33,5 °C (55% Luftfeuchte) über 40 Tage gefunden (Abilay et al., 1974). Hitzestress verursacht verminderte physische Aktivität und damit verbunden auch eine Verminderung der Futteraufnahme (Mader und Davis, 2004). Wenn taurine Rinder (im Gegensatz zu den hitzetoleranten Zeburindern) länger hohen Temperaturen ausgesetzt sind, folgt der verminderten Nahrungsaufnahme ein Abfall in der Ausschüttung von z. B. Wachstumshormonen, Katecholaminen und Glukokortikoiden (Johnson, 1980; Webster, 1991). Die Verschlechterung der Energieversorgung aufgrund verringerter Nahrungsausnahme führt zu einer negativen Energiebilanz. Dies erklärt teilweise den Gewichtsverlust von Kühen, die Hitzestress ausgesetzt sind (Lacetera et al., 1996).

Die Veränderungen unter Hitzestress (weniger Futteraufnahme, Wandlung des Hormonstatus und eine niedrigere Stoffwechselrate) können die metabolische Wärmeproduktion des Körpers senken (Yousef, 1987) und sind vermutlich verantwortlich für Änderungen in der Leberfunktion sowie im Energie-, Fett-, Protein- und Mineralstoffwechsel (Lacetera et al., 1996; Nardone et al., 1997; Ronchi et al., 1995, 1997, 1999, Itoh et al., 1998a,b; Moore et al., 2005; O'Kelly, 1987; Sano et al., 1983, 1985; Vizcarra et al., 1997). Die geringere Glukoseverfügbarkeit ist mitverantwortlich für den Rückgang der Milchleistung unter Hitzestress (Baumgard et al., 2007; Johnson, 1967). Veränderungen im Glukose- und Fettstoffwechsel sowie der Leberfunktion und dem oxidativen Status könnten der Grund für die erhöhte Empfindlichkeit von Hitze-gestressten Tieren für Stoffwechselerkrankungen sein.

Ein suboptimal arbeitender Stoffwechsel wiederum kann weitere negative Auswirkungen haben, z.B. auf die Fruchtbarkeit oder die Widerstandskraft gegen Infektionen (Nardone et al. 2010). Amundson et al. (2005) berichten vom Rückgang der Trächtigkeitsraten bei taurinen Rindern bei Temperaturen über 23,4 °C und während heißer Witterung wurden höhere Mastitisraten bei Milchkühen beobachtet (Chirico et al., 1997; Giesecke, 1985; Hogan et al., 1989). Mögliche Ursachen bzw. Ursachenkombinationen für Letzteres sind neben den negativen Auswirkungen des Hitzestresses auf die Abwehrmechanismen im Tierkörper (Giesecke, 1985) vermutlich auch die besseren Überlebens- und Vermehrungsraten von Krankheitserregern (Hogan et al., 1989) und/oder deren Vektoren (Chirico et al., 1997) unter heißen Temperaturbedingungen.

Die bei taurinen Rindern unter heißen Außentemperaturen vorkommende Hyperventilation reduziert den CO2-Gehalt des Blutes. Die Niere sondert daraufhin Hydrogencarbonat (HCO3) ab, um das richtige Verhältnis im Blut wiederherzustellen (Schneider et al., 1988). Dies wiederum reduziert die Verfügbarkeit von Hydrogencarbonat, welches über den Speichel zur Pufferung des Rumen-pH-Wertes genutzt werden kann (Nardone et al., 2010). Wilhelm (2010) beschreibt, dass der veränderte ph-Wert eine Verschiebung der Pansenflora in Richtung Lactat produzierender gram-positiver Bakterien bedingt, während gram-negative Bakterien absterben und Endotoxine freisetzten (Dougherty et al. 1975, Nagaraja et al. 1978, Nocek, 1997). Das saure Milieu greift die Pansenschleimhaut an und erhöht ihre Durchlässigkeit (Wilhelm, 2010).

Dazu kommt, dass hyperventilierende Kühe speicheln und der „verlorene“ Speichel dem Pansen auch nicht mehr zur Verfügung steht (Nardone et al. 2010). Die durch Hitzestress bedingte Verringerung der Raufutteraufnahme führt darüber hinaus auch zu weniger Wiederkauen und damit zu einer Herabsetzung der Speichelproduktion. Durch weniger Futter- und Speichelmenge und einem geringeren Hydrogencarbonatanteil im Speichel ist eine Hitze-gestresste Kuh sehr viel anfälliger für chronisch-latente und akute Pansenacidose (Kadzere et al., 2002), die wiederum indirekt das Risiko von anderen Gesundheits- und Produktionsproblemen, z.B. Durchfall, Klauenrehe, Milchfettrückgang sowie Leberabszesse (Nocek, 1997, Plaizier et al., 2008) erhöht. In der subklinischen Klauenrehe wird zudem die Primärursache einer Vielzahl von weiteren Klauenerkrankungen, wie Rusterholzsches Klauengeschwür, White Line Disease (Weiße-Linie-Erkrankung), Klauenspitzengeschwür, Doppelsohlenbildung und Ballenhornerosion gesehen (Bradley et al. 1989, Greenough u. Vermunt 1991, Lischer u. Ossent 1994, Shearer u. van Amstel, 2000, Mülling u. Lischer, 2002, Bergsten, 2003).